Trainingscamp Fahrdynamik in Boxberg

Am ersten Mai-Wochenende war es endlich soweit: Freitag abends begann das zweitägige Trainingscamp Fahrdynamik des MOTORRAD action teams. So richtig wußte ich eigentlich nicht, auf was ich mich da eingelassen hatte. Bruchstückhafte Informationen auf einer Website, deren Design bereits vor einigen Jahren als katastrophal bewertet worden wäre und dessen Informationsgehalt vorsichtig formuliert bescheiden ist. Ausschlaggebend für die Buchung des nicht gerade günstigen Trainings war die Mischung aus dem guten Ruf des MOTORRAD action teams, der Möglichkeiten der Bosch Teststrecke und ein Gefühl im Bauch, dass die Veranstaltung so schlecht nicht sein kann. Vielleicht hilft dieser persönliche Bericht anderen, im Vorfeld einen tieferen Einblick in das Training zu bekommen.

Der Freitag Abend

Ich war bereits am frühen Nachmittag angekommen, hatte mein Gepäck ins Zimmer geschmissen und mich dann noch einmal auf die 750er gesetzt. Als ich abends wieder zum Hotel in Bad Mergentheim zurück kam, war es kaum wiederzuerkennen. Weit über 60 Moppeds standen auf dem Hotelparkplatz, die mittags noch vereinzelt anzutreffenden Autos hatten größtenteils die Flucht ergriffen. Im Hinterhof fand um 19 Uhr auch die ca. 30 minütige Begrüßung statt, in der in humorvoller und lockerer Art die organisatorischen Dinge bekannt gegeben und die Instruktoren vorstellt wurden.

Anfahrt zum Trainingsort

Die Teilnehmer wurden auf Basis der bei der Anmeldung ausgefüllten Fragenbögen in insgesamt acht Gruppen aufgeteilt, jede Gruppe wurde einem festen Instruktor zugeteilt. Die Gruppeneinteilung erfuhr ich bei der Registrierung, dort gab es auch einen Umschlag mit zwei Klebeziffern für das Motorrad und einem selbstklebenden Namensschild (letzteres nutzte ich nicht; wer sich meinen Vornamen nicht merken kann, soll mich halt mit ‘du da’ ansprechen). Weiterhin befand sich im Umschlag noch eine Übersicht über die Aufteilung der Teilnehmer auf die einzelnen Gruppen und eine Anfahrtsskizze – die Teststrecke von Bosch ist ca. 15 Minuten Fahrzeit entfernt.

Das Abendessen, ein äußerst schmackhaftes 3-Gänge Menü, diente gleichzeitig zum gegenseitigen Kennenlernen der eigenen Gruppe. Mein Instruktor war Dietmar Beinhauer, ein Mann in den besten sechziger Jahren mit einer interessanten Vergangenheit (Teilnahme an Paris Dakar und diversen Langstreckenrennen, z.B. in Brasilien und auf der Nordschleife; Organisator von diversen Sicherheitstrainings für BMW im Ausland). Jeder der Teilnehmer erzählte von seiner Motorradvergangenheit und seinen Erwartungen an das Training. Die Aussage von Dietmar Beinhauer, dass wir am nächsten Tag mit einigen Grundübungen anfingen, hatte mich zunächst etwas verunsichert – meine Erwartung war, dass das Trainingscamp mindestens das Niveau des ADAC Intensivtrainings hätte.

Im Laufe des Abends lösten sich die Gruppen auf, viele gingen bereits relativ früh auf ihr Zimmer. Ich setzte mich an einen anderen Tisch um noch etwas über die K1200 Modelle von BMW zu plaudern. Während des Gesprächs schaute ich einen meiner Gesprächspartner immer wieder kurz an, bis es mir dämmerte: wir hatten uns auf der Ostertonnen-Party in Braunschweig im letzten Jahr gesehen, er zog dann nach Nürnberg.

Wer viel ißt, muß sich auch bewegen, dachte ich mir, und machte dann später noch einen kleinen Spaziergang ins Zentrum von Bad Mergentheim – nicht ohne mir draussen vor dem Gasthof Johanniter noch ein Weizen zu gönnen.

1. Trainingstag – Samstag

Es ist wirklich verrückt – je nachdem, wie gut die Nacht war, kann es durchaus sein, dass auf dem Wecker bereits die 11 steht, bevor ich zu mir komme. Wenn an einem Tag die 750er wartet, wache ich morgens immer früh auf. Am Samstag erblickten meinen Augen nach dem Öffnen der Lider ungläubig die Ziffern 6:57 auf dem Wecker, eine kurze Dusche später saß ich beim Frühstück. Beim Aufschnallen des Tankrucksacks fiel mir auf, dass ich die Anfahrtsskizze im Zimmer gelassen hatte. Egal, dachte ich mir, da wo ich hin will, wollen auch mehr als 70 andere hin – das sollte doch zu finden sein. War es auch, dank der Beschilderung des Veranstalters.

Auf den kurzen Motorrad-Check durch den Instruktor folgten mehrminütige Entspannungsübungen, sitzend auf dem Mopped (Atmung, An- und Entspannen von bestimmten Muskeln). Anschließend ging es auf eine Einführungsrunde, die zumindest die wesentlichen Abschnitte der Bosch Teststrecke umfaßte – konkret hieß das 14 Kilometer, um ein Gefühl für die Größe der Anlage zu geben. Danach folgte eine Stunde Theorie, in der es um die drei Achsen des Motorrads ging, um Kreiselkräfte oder auch den kammschen Kreis – wer bereits ein Sicherheitstraining gehabt hat, dürfte diese Themen bereits kennen. Um es vorweg zu nehmen: dies war auch gleichzeitig der größte Theorieblock, alle anderen Theorieeinlagen beschränkten sich auf wenige Minuten.

Die praktischen Übungen begannen mit Langsamfahren: erst geradeaus, dann zunehmend enger werdende Kreise, zum Schluß wurden Achten gefahren. Ziel war das Gefühl für das Gleichgewicht sowie das Spiel mit Kupplung und Bremse. Im gleichen Parcour wurden dann Notbremsungen geübt: erst nur hinten, dann nur vorne, dann ankern auf beiden Rädern. Die letzte Übung im ersten Abschnitt war das Ausweichen mit Lenkimpuls – gleichzeitig die erste Übung, bei der ich eindeutig Defizite bei mir ausmachte. Sehr gut fand ich eine Übung in der deutlich wurde, dass die theoretisch mögliche Kombination aus erst Bremsen und dann Ausweichen bei Geschwindigkeiten im Stadtbereich schlichtweg praxisfern ist.

Nach einer Pause im ‘Camp’ auf der Anlage, in der es kalte Getränke und Obst gab, fuhren wir zu einem Abschnitt mit einem kleinen Hügel. Hier wurde Anhalten und Anfahren am Berg geübt. Angefangen wurde mit 10%, über 15% und 20% folgte dann der abschließende Test mit 30% – vergleichbar mit einer Böschung. Die eingesetzte Methode mit dem Abwürgen des Motors erschien mir zwar zunächst etwas seltsam, spätestens an der 20%igen Steigung waren die Vorteile dann aber offensichtlich. Es folgte ein Mittagessen im Hauptgebäude, ein weiterer Anschlag auf die zunehmend weniger schlanke Linie (Salat, zwei Hauptmenüs, Nachtisch, Kaffee).

War das Wetter am Vormittag bedeckt und kühl, fing es im Laufe der Mittagspause an zu tröpfeln. Die erste Übung am Nachmittag fand im Inneren des riesigen Kreises der Teststrecke mit 300 Metern Durchmesser statt – fahren in Schräglage bis der Arzt kommt. Nach ein paar Dutzend Runden zum Einfahren wurde in Schräglage geschaltet. Anschließend wurde die Schräglage und der Kurvenradius über Gasgeben bzw. -wegnehmen gesteuert, danach kamen die Bremsübungen in Schräglage an die Reihe. Im Vergleich mit dem eintägigen ADAC Training wurde deutlich, dass für die Übungen hier deutlich mehr Zeit zur Verfügung stand. Es wurde innerhalb jeder Übung auch immer die Fahrtrichtung einmal gewechselt.

Fanden die bisherigen Übungen im Kreis immer in der ganzen Gruppe statt, ging es nun auf Einzelfahrt. Mit einem dicken Kreidestrich am Hinterreifen fuhr jeder ein paar Runden am “persönlichen Schräglagenlimit”, in einem zweiten Durchlauf in der anderen Fahrtrichtung. Ich hatte mir für das Training vorgenommen meine rechte, bis dahin noch jungfräuliche Fußraste, ebenfalls anzuschleifen – die durch die Regentropfen leicht angefeuchtete Strecke schob mir aber einen mentalen Riegel davor. Die leicht angenäßten, weißen Markierungen auf dem Asphalt hatten zuvor bereits zweimal für Warnsignale von meinem Hintern gesorgt – ich wollte es nicht übertreiben. Immerhin, nach der Linksfahrt war von der Kreide an meinem Hinterreifen nichts mehr zu sehen, bei der Rechtsfahrt waren es auch nur 2-3 Millimeter – das fand ich schon ok. Den Abschluß bildete das Fahren über ein kleines Brett – ebenfalls im Kreisel und damit ebenfalls in Schräglage. Ich muß zugeben: wenn so ein Stück Holz vor dieser Übung in einer Kurve vor mir aufgetaucht wäre, hätte ich ein abruptes Ausweichmanöver gestartet. Erstaunlich, über was man besser drüber fährt.

Es folgte wieder eine Pause mit Getränken, Obst und diesmal auch Korn-/Fruchtriegeln. Am Freitag abend hatte ich erfahren, dass es die Möglichkeit gäbe, eine BMW K1200S probezufahren. Leider entpuppte sich dies (zunächst) als Ente, die ganzen K1200S hatten sich die Instruktoren gekrallt. Es gab eine K1200R Sport, aber die kannte ich schon und ich wollte die Sehnsucht nicht noch mehr erhöhen. Inzwischen war auch das erste und meines Wissens einzige Opfer zu beklagen: eine Aprilia RSV stand mit gesplitterter Verkleidung, eindeutigen Geländespuren und abgebrochenem Bremshebel neben dem Pausenzelt. Der Fahrer war ok, das war das Wichtigste.

Für die letzten Übungen am ersten Tag fuhren wir auf das Oval – im Prinzip eine Rennstrecke mit rund 3 Kilometern Länge und zwei Steilkurven. Es gab zwei bis drei Einführungsrunden, dann wurden die Übungen erläutert. Wir sollten paarweise versetzt (!) mit dem Abstand fahren, mit dem wir auch sonst fahren – der Erste sollte eine Vollbremsung hinlegen, der Zweite versuchen so zum Stehen zu kommen, dass er im Falle eines nicht versetzten Fahrens nicht auffahren würde. Weiterhin waren Bremsübungen aus höheren Geschwindigkeiten geplant, anschließend sollte es freie Fahrt geben, aussen überholen erlaubt.

Leider traf meine Prognose ein – ich hatte bereits am Vorabend darauf hingewiesen, dass es bislang bei jedem meiner Sicherheitstrainings geregnet hatte. Innerhalb von wenigen Minuten wandelte sich der tröpfelnde Regen in einen strömenden, so daß die Bremsübungen zunehmend unrealistischer wurden (wir hielten einen extrem hohen Abstand; weder der Erste noch der Nachfolgende traute sich wirklich eine richtige Vollbremsung hinzulegen). Wenn ich ehrlich bin: mit dem Abstand, mit dem die Motorradtouren häufig gefahren werden, dürfte es ab dem 3. bis 5. Fahrer gewaltig krachen.

Netter Nebeneffekt des Regens: die geplanten Übungen wurden nach kurzer Zeit reduziert auf die Übung ‘freie Fahrt’. Der Regen sorgte auch dafür, dass nach kurzer Zeit nur noch drei, wenig später nur noch zwei auf dem Oval fuhren – einer davon war ich. Wir steigerten beide unsere Geschwindigkeit zunehmend – meine Wohlfühlgrenze wurde bei 150 km/h in der engeren Kurve und 180 km/h in der anderen erreicht, am Anbremspunkt vor den Steilkurven stand die Nadel bei 200 km/h. Der Kollege mit der Firestorm war etwas schneller, ich ließ ihn auf einer Geraden vorbei. Wie gesagt, alles im strömenden Regen – aber halt nicht im öffentlichen Straßenverkehr sondern auf einer planen Strecke mit nahezu perfekter Wasserabführung und Steilkurven, die dafür sorgen, dass man eigentlich nur geradeaus fährt.

Es war einfach ein faszinierendes Gefühl im Oval bei Regen mit diesen Geschwindigkeiten zu fahren, wobei die Faszination sogar weniger die Geschwindigkeit sondern mehr die Konzentration auf die Strecke war. Anbremspunkte, die passende Geschwindigkeit für die gewünschte Spur in der Steilkurve, das weiche Rausbeschleunigen am Ende der Steilkurve, die gesamte Konzentration galt nur noch dem Fahren. Ich versuchte jede Instabilität im Ansatz zu erahnen und kriegte dabei zunächst gar nicht mit, dass ich irgendwann als einziger fuhr. Ich hielt an, wir hatten aber noch einige Minuten Zeit im Oval – dass reichte dann für noch ein paar Runden.

Noch ein Nebeneffekt, der im Gedächnis geblieben ist: als ich irgendwann mitbekam, dass ich als einziger fuhr, wollte ich am Ausgang der engeren Steilkurve abbremsen und bei der auf dem inneren Standstreifen stehenden Gruppe anhalten. Ich habe zwar ein Gefühl dafür, wie stark ich bei typischem Regentempo von 80 bis 90 bremsen kann – mit 150 km/h war ich im Regen noch nicht unterwegs. Meine Schätzung des Bremswegs war sehr optimistisch bzw. meine Einschätzung der möglichen Bremskraft auf dem Vorderrad zu gering. Ich wäre vielleicht 20 bis 30 Meter hinter der Gruppe zum Stehen gekommen – schlichtweg beängstigend – ich habe dann nach einer weiteren Runde angehalten. Selten war der Vorteil eines ABS am Motorrad so offensichtlich.

Gegen 17:30 verließen wir die Teststrecke, auf der ich an dem Tag gut 140 Kilometer zurückgelegt hatte – das Oval machte davon aber einen beträchtlichen Teil aus. Zum Vergleich: eine Frau aus meiner Gruppe, die im Oval sehr wenig gefahren war, sagte mir beim Frühstück am nächsten Morgen, dass sie knapp 90 Kilometer gefahren wäre. Mit der Hin- und Rückfahrt zur Teststrecke kam ich auf 180 Kilometer und 13 Liter Verbrauch – der Durchschnittsverbrauch auf der Teststrecke dürfte in der Gegend von knapp 8 Litern pro 100 Kilometer gelegen haben (zum Vergleich: 6 Liter bei flotter Landstraßenfahrt, 5 Liter beim gemütlichen Touren).

Nach der Dusche merkte ich dann auch, dass der Tag sehr anstregend war, vielleicht auch aufgrund der zahlreichen konzentrierten Runden auf dem Oval. Abends gab es zum Entspannen wieder ein 3 Gänge Menü und ein paar Weizen für die Verdauung, dazu wurde viel gequatscht. Bei mir am Tisch saß auch der Instruktor Andreas Besecke, der parallel zu dem Fahrdynamik-Training ein Individualtraining mit einer Frau auf einer 650er BMW machte. Er waren nicht nur die Geschichten, die fesselten – es waren seine leuchten Augen, mit denen er erzählte, die mich faszinierten.

Die Nordschleife hat es ihm besonders angetan und ich muß zugeben, dass seine Begeisterung zu mir übergeschlagen ist. Mein Interesse am Ring intensiv Training ist geweckt – vielleicht nächstes Jahr. Wie sagte er: wenn beim ihm nachts jemand klingelt und fragt, ob er Motorrad fahren will, springt er aus dem Bett. Andreas, falls du mal im Großraum Braunschweig bist: du darfst bei mir klingeln – wirklich, aber bitte nicht nachts!

Drei Gänge leckeres Essen müssen verdaut werden, ich habe mich dann wieder zu späterer Stunde auf einen kleinen Spaziergang aufgemacht. Der Gang durch den im hinteren Teil nur schlecht beleuchteten Park hinter dem Schloß hatte schon fast etwas gespenstisches, zumal die Feuchte des Regens vom Tage noch in der Luft hing. Am Marktplatz fand ich ein sehr schönes Cafe, ganz nach meinem Geschmack. Lockeres Ü30 Publikum, leckeres Weizen – ich wäre gerne noch länger geblieben, doch der anstehende zweite Tag trieb mich noch vor Mitternacht wieder durch den Park ins Hotel zurück.

2. Trainingstag – Sonntag

Bei leicht bedecktem, kühlen Wetter ging es morgens wieder raus zur Bosch Teststrecke. Mit dem Beginn der Entspannungsübungen hatte die Sonne die Wolken bereits großflächig weggedrückt, blauer Himmel kam zum Vorschein – endlich einmal ein Sicherheitstraining im Trockenen. Nach den Entspannungsübungen kam die Aufforderung die Motoren zu starten. Ich kann nur sagen: es ist berauschend, wenn geschätzt achtzig, dicht beieinander stehende Motorräder mit insgesamt vermutlich rund 8.000 PS nahezu zeitgleich fauchend zum Leben erwachen.

Am Sonntag begann das Training mit einem mit Pylonen abgesteckten Handlingskurs. Der Kurs bot eine Spitzkehre, eine Hundekurve, eine relativ enge S-Kurve sowie einen kleinen Slalom-Abschnitt auf einer Gesamtlänge von wenigen 100 Metern. Auf diesem Kurs war fleissiges Schalten angesagt, entweder rechtzeitig vor den Kurven oder in Schräglage. Weiterhin wurde verstärkt auf die Blickführung und weiche Kurvenlinien geachtet. Besonders tückisch empfand ich die S-Kurve, die aussen an das Ende der Teerfläche grenzte. Der Blick wanderte anfangs automatisch zur Grasnarbe, die runde Linie durch die S-Kurve war dann dahin.

Auf wenn es keine BMW K1200S zum Ausleihen gab – unser Instruktor fuhr eine und gab sie mir für zahlreiche Runden auf dem Kurs. Insgesamt legte ich mit ihr 15 Kilometer auf dem Handlingkurs zurück und war ähnlich wie schon bei der Probefahrt der K1200R Sport begeistert. Dass sich ein fünf-Zentner-Brocken dieser Größe so gut um den Handlingskurs schwingen läßt, hätte ich nicht gedacht. Ein direkter Vergleich mit der R Sport ist unfair, rein gefühlsmäßig hatte ich aber die R Sport als noch etwas handlicher in Erinnerung. Der 167 PS Motor war im unteren Drehzahlbereich exzellent fahrbar – ab 4000 UPM spürte ich, dass er anfing zu beissen. Fahrwerk, Bremsen, ein Traum. Seufz…

Als nächstes folgte ein fest vorgegebener Handlingskurs auf der Teststrecke. Er bot verschiedene Kurvenkombinationen und war zudem hügelig, so daß manche Kurven nicht einsehbar waren. Ziel war es eine saubere Kurvenlinie zu finden. Wie auch im ersten Handlingskurs wurde der Kurs in beiden Richtungen befahren. Die letzten 20 Minuten der Trainingssession waren mehr oder minder freie Fahrt, zum Schluß war ich wieder mit der Firestorm alleine unterwegs. Die Suche der Bremspunkte war aufgrund des hügeligen Geländes nicht ganz einfach, aufgrund der wenigen Geraden dienten auch die Kurveneingänge zunehmend als Bremszone. In meiner letzten Runde passierte es: die rechte Fußraste schrabbelte in einer abfallenden, engen Rechtskurve auf dem Asphalt und verlor endlich ihre Jungfräulichkeit: Taschaka! Taschaka! Getränke gab es hier auch, ich feierte mein erreichtes Trainingsziel mit einer Apfelschorle.

Es folgte wieder ein mit Pylonen abgesteckter Handlingskurs, der die Form eines Halbmondes hatte. Zwei Spitzkehren waren hier mit zwei schnellen Kurven verbunden, ein Traum für eine Hatz im zweiten und dritten Gang. Es ging aber nicht um flottes Fahren sondern wieder um runde Linien, bei denen wir weder schalten noch bremsen durften. Der geeignete Gang war schnell gefunden, das Gefühl für den Punkt, an dem man spätestens das Gas wegnehmen mußte, stellte sich erst nach einiger Zeit ein.

Die nächste Übung war relativ kurz, es ging um das Fahren auf schlechten Strecken – der Instruktur fuhr vorneweg. Nach zwei Schotterstrecken fuhren wir zu einem Bereich auf dem Testgelände, auf dem neun numerierte Strecken nebeneinander angelegt waren. Ich erinnerte mich an den Hinweis von der Begrüßung, dass die Strecken 8 und 9 – die 9 entspräche “Afrika” – nur mit Enduros befahren werden dürften. Es hätten zwar auch schon Fahrer mit Sportmotorrädern probiert die 9 zu bezwingen, abgerissene Ölablaßschrauben und eingedrückte Unterböden hätten in vielen Fällen aber für ein abruptes Trainingsende gesorgt. Etwas komisch war mir schon, als wir auf die 7 fuhren – auf meiner GSX750F bereits fast unfahrbar – danach ging es erfreulicherweise zurück zur 6.

Der letzte Abschnitt vor der Mittagspause war die Serpentinen-Teststrecke. Die Strecke geht einen künstlich angelegten Hügel hoch, vor dem sich eine tiefe Mulde befindet. Eine Kehre führt nach unten, mit einer S-Kurve geht es auf den Hügel hoch. Es wurde zunächst die Blickführung geübt, irgendwann wurde die Fahrtrichtung gewechselt. Nachdem alle rund fuhren wurden wir aufgeteilt – gefahren wurde mit Gegenverkehr (im übrigen die einzige Übung an den beiden Tagen, in der es Gegenverkehr gab).

Es folgte ein Mittagessen nach dem üblichen Motto: Völlern bis zum Abwinken (Suppe, Salat, Lachs, Grünkernbratlinge, Schweinfilet, Kuchen). Das Wetter lud anschließend ein, sich noch ein paar Minuten auf eine Rasenfläche zu schmeissen, nach einer Stunde Pause ging es dann weiter.

Für uns hieß dies zurück auf den großen Kreisel, diesmal fuhren wir weiter aussen (geschätzter Durchmesser von unserer Spur: 100 bis 150 Meter). Wir fuhren paarweise: der Vordermann mit Tempo 60 auf einer festen Spur, der Hintermann fuhr U-förmig in Schräglage um den Vordermann herum (mal links daneben, mal rechts daneben). Als nächstes folgten zahlreiche Runden, in denen wir einhändig fahren sollten – aufgrund des Gasgriffs auf der rechten Seite wurde diese Übung natürlich nur entgegen des Uhrzeigersinns gefahren. Ziel war es gleichmäßig seine Runden zu drehen, ohne sich dabei zu verkrampfen.

Es folgten einige Runden mit freier Fahrt auf zwei Spuren, die äußere für die schnelleren Fahrer. Ich erinnerte mich an ein Erlebnis vom Vortag. Als wir im Inneren des Kreises waren, fuhr in der äußeren Gruppe ein Sportboxer Kreise um die anderen. Der Fahrer fuhr nicht nur flott sondern auch sehr gleichmäßig, es war schön anzusehen. Ich beobachtete ihn zusammen mit einem anderen aus meiner Gruppe. Dieser schüttelte irgendwann den Kopf und bat mich auf den “mit den orangen Schuhen” zu achten, der mit einem Abstand von vielleicht 100 Metern ebenso gleichmäßig hinterher fuhr – dabei aber die Fingerkuppen seiner linken Hand über den Asphalt schleifen ließ. Am Samstag abend sprach ich mit Andreas Besecke darüber und er meinte, dass dies gar nicht so schwierig sei, der Asphalt sei näher als man glaubt – ausserdem sei es ein geiles Gefühl. Stimmt, kann ich bestätigen. Irgendwo zwischen Tempo 70 und 80 war es soweit: meine linken Finger schliffen über den Asphalt – ich war stolz wie Lumpi.

Es folgte eine Übung, bei der wir in Schräglange sanft anbremsen und dann wieder beschleunigen sollten – irgendwann wurde die Fahrtrichtung gewechselt. Für den Fall Notbremsung in Kurve gab es nur eine Demo durch den Instruktor. Er fuhr mit 60 km/h im Kreis, richtete sich durch leichtes Anbremsen kurz auf und schmiß dann den ABS Anker. Geschätzt zwei Meter für das Aufrichten, dann der Bremsweg aus Tempo 60 – er stand keine drei Meter von der Kreisspur entfernt. Für solche Fälle dürfte sich auch ein ABS Training lohnen. Wer schon in Schräglage blind in die Bremse greift, wird sich langlegen: das ABS nützt nur bei mehr oder minder aufrechter Fahrt (Stand: 2007).

Es folgte wieder eine Pause auf dem Camp bei Getränken und Obst, danach fuhren wir wieder zu dem Hügel mit den unterschiedlichen Steigungen. Die Übung war sehr kurz: es ging um das Abschätzen, wie schnell wir fahren mußten, um ohne Gas den Hügel so hochzurollen, dass wir oben stehen blieben. Bei der ersten Steigung paßte es bei mir, bei der zweiten schoß ich oben drüber – das erste Mal war vermutlich reiner Zufall.

Es folgte der letzte feste Handlingskurs auf dem Testgelände, der zwar ebenfalls etwas hügelig war, aber im Vergleich zu dem vom Vormittag deutlich schnellere Kurven bot (der Kurs umfaßte den inneren Handlingskurs einschließlich des Serpentinenhügels). Ich hatte Glück, die Einführungsrunden konnte ich direkt hinter dem Instruktor fahren. Er steigerte ständig das Tempo, spürte aber anscheinend, wenn ich an meine Grenzen kam. Jedenfalls konnte ich mich so sehr schön auf seine Kurvenlinie konzentrieren. Mitte 60? – der Kerl fährt wie ein junger Gott.

Auf diesem Handlingskurs gab es keine festen Übungen mehr, letztendlich hieß es freie Fahrt mit Überholerlaubnis auf den beiden Geraden. Wie sonst auch befand ich mich zum Schluß im paarweisen Tiefflug mit der Firestorm allein auf dem Kurs. Aus Sicht von Dietmar Beinhauer war unsere Hatz vermutlich Pille-Palle von zwei Freizeitfahrern, rein gefühlsmäßig war es für mich “Racing am Wohlfühllimit”. Im öffentlichen Straßenverkehr wäre unsere Fahrweise jedenfalls blanker Selbstmord gewesen: nicht einsehbare, und in einem Fall nach unten abfallende Kurven wurden aus dem Gedächnis angebremst, das erste Kurvendrittel diente als Bremszone, im hinteren Drittel wurde bereits wieder das Gas behutsam geöffnet.

Der zweite Tag endete gegen 16 Uhr. Meine GSX750F hatte am Sonntag 147 Kilometern auf der Teststrecke zurückgelegt, dazu kommen noch die 15 Kilometer mit der K1200S. Es gab eine kurze Abschiedsveranstaltung, in der die obligatorischen Teilnahmeurkunden ausgehändigt wurden – ich gehörte zu den Banausen, die sie gleich geknickt haben – dazu gab es Kaffee und Kuchen. Gegen halb fünf begann dann der Aufbruch.

Infrastruktur / Organisation

Ein paar abschließende Worte zu der Infrastruktur und Organisation der Veranstaltung. Die Atmosphäre war generell einfach nett, locker, kumpelhaft – wie nicht anders zu erwarten, wenn Motorradfahrer unter sich sind. Verdursten tut niemand, Getränke gab es nicht nur beim Mittagessen im Hauptgebäude, sondern auch auf dem Gelände. Zum Einem in einem ‘Camp’ (ein Wohnwagen mit Vorbauzelt, Tischen und Bänken auf einem abgegrenzten Bereich; für eilige Bedürfnisse auch zwei Dixie-Klos) sowie auch am Sonntag im Inneren der Teststrecke.

Das Bosch Testgelände wurde komplett vom MOTORRAD action team angemietet, ausser den Teilnehmern der action team Kurse befanden sich keine anderen Fahrzeuge auf der Teststrecke. Neben dem Fahrdynamik-Training und zwei Individualtrainings fand am Samstag ein Fahrwerkseinstellungs-Training und am Sonntag ein ABS Training statt (an dem auch wieder ein BMW Fahrer teilnahm, der bei seinem ersten ABS Training überrascht festgestellt hatte, dass er kein ABS hat).

Im Hauptgebäude, in dem das Hotel auch das Mittagsbuffet aufbaut, gibt es einen großen Raum, in dem sich am Sonntag auch das Reisegepäck unterbringen läßt (für diejenigen, die am Sonntag morgen bereits auschecken). Die Verpflegung ist als Anschlag auf die Gesundheit zu betrachten, ein anschließendes Fitnessprogramm für die Gewichtsreduzierung sollte eingeplant werden. Das Hotel war einwandfrei, einzig die Nichtexistenz von “echten” Nichtraucher-Zimmern hat mich etwas verwundert (in der Firma würde das Hotel damit sofort aus der Auswahlliste fallen).

Auf den fest angelegten Handlingskursen der Anlage wurden von einem Fotografen Fotos gemacht, die im Kleinformat auf seiner Website angeschaut werden können. Eine CD mit allen Fotos der eigenen Startnummer kostet zwar satte 50 EUR, aber wann gibt es schon die Möglichkeit, solche Fotos von einem selbst zu kriegen. Jedenfalls eine nette Option, ich habe sie wahrgenommen. Die Fahrbilder von mir in diesem Bericht stammen von der CD (in reduzierter Auflösung).

Fazit

Das Trainingscamp ist eine Mischung aus einem Sicherheitstraining und ein paar kräftigen Portionen Fahrspaß. Es gibt kein starres Programm, die einzelnen Abschnitte und Übungen hingen auch davon ab, was die Gruppenteilnahmer auf dem Fragebogen angegeben hatten. So konnte ich auf einer Fahrt über das Gelände von einem Abschnitt zu einem anderen eine Gruppe beobachten, die offensichtlich gerade die Flucht in das Gelände übte (nicht ironisch gemeint).

Das Niveau des Trainings ist in meinen Augen mit dem ADAC Intensivtraining vergleichbar. Die Unterschiede sind zum Einen, dass aufgrund der längeren Dauer die Übungen weitaus intensiver und länger gefahren werden, zum Anderen ist der theoretische Teil beim Fahrdynamik-Training deutlich knapper (selbst dann, wenn ich die zwei Tage addiere). Wer ein reines Sicherheitstraining sucht, wird aufgrund des deutlich geringeren Preises mit dem ADAC Intensivtraining das bessere Preis-/Leistungsverhältnis haben.

Wer auf den Fahrspass im Oval und auf zahlreichen Handlingkursen nicht verzichten möchte, wer zwischendurch einfach einmal Gasgeben möchte, ohne Gefahr zu laufen, auf der gleichen Strecke von Organspendern abgeschossen zu werden, dem kann ich das Trainingscamp Fahrdynamik ohne Einschränkung empfehlen. Der Preis von 600 EUR einschließlich Vollpension für den Mai-Termin mag nicht gerade zimperlich sein, dafür wurde aber auch eine Menge geboten. Gelernt habe ich wieder viel, der Fahrspaß läßt sich in Worten nicht festhalten.

7 thoughts on “Trainingscamp Fahrdynamik in Boxberg”

  1. Was sind die “drei Achsen” eines Motorrades, bitte? Sehr guter Bericht, den du dir honorieren lassen solltest. Glückwunsch auch zur entjungferten Fußraste … 🙂

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    • Längs-, Hoch- und Querachse. Vom Ansatz her theoretischer Natur, es geht einfach nur um das “Motorrad im Gleichgewicht” (wann dreht sich das Motorrad um welche Achse, welche Effekte leiten diese Ö?nderung ein, mit welchen Maßnahmen kann man gegensteuern).

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  2. Sehr kurzweiliger und interessanter Bericht Deiner “Erfahrungen” zu diesem Thema. Wird sicher vielen Interessierten weiterhelfen, die mit dem Gedanken spielen, so etwas mal zu machen. Ansonsten eine sehr ansprechende HP, die ich öfters besuchen werde. Bikergruß, Schrotti.

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  3. Sehr guter und ausführlicher Bericht……und die Kalorienzahl des Essens, wirklich eine Frechheit ;o)).

    Großraum Braunschweig, rtg. Oschersleben…….ich denk dran!

    Immer die richtige Schräglage

    Bese

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  4. Endlich mal ein ausführlicher Bericht über dieses zugegeben nicht ganz billige Event, dafür meinen Dank. Für mich als Interessierten wichtig war auch mal der Vergleich zu den ADAC-Trainings, die ja stellenweise ziemlich schlechte Kritiken bekommen.

    Tja, mein Sparschwein wird wohl im nächsten Mai dann “fällig” sein 😉

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