Eine Stunde mit der Triumph Sprint ST

Sollte ich je Zweifel gehabt haben, dass mir eine Maschine aus dem Sporttourer-Segment am besten zusagt, wären diese in den letzten zwei Jahren, in denen ich mit der GSX750F ungefähr einmal die Erdkugel umrundet habe, weggeblasen worden. Wenn ich ab und zu nach einem potentiellen Nachfolger schiele, stammt dieser aus dem gleichen Bereich – z.B. die Triumph Sprint ST.

Der Braunschweiger Triumph Händler Scheibner & Olk lud am Samstag zur Saisoneröffnung. Eine leuchtend rote Sprint ST stand vor dem Geschäft am Hauptgüterbahnhof im Osten von Braunschweig, keine 10 Minuten nach meinem Eintreffen stand ich vor der Theke. Der Probefahrt-Vertrag war schnell unterschrieben, die Frage nach der maximalen Dauer mit “och, ist gerade wenig los, ich gebe dir eine Stunde” beantwortet. Hatte ich bis dahin in Gedanken eine Probefahrt über Cremlingen und Sickte anvisiert, waren meine Gedanken nach dieser Antwort sofort im Elm. Die Sprint ST war allerdings noch jungfräulich, auf dem Kilometerzähler stand einsam und verlassen eine ‘2’. Die Konsequenz: maximal 4.000 UPM, außerdem nagelneue und damit noch rutschige Reifen.

Kupplung ziehen – zum Anlassen bei der Sprint ST auch im Leerlauf nötig – und ein Druck auf das Knöpfchen, schon röchelte der Dreizylinder gierig vor sich hin. Das Wetter war erfreulich warm, ich konnte sogar erstmals in diesem Jahr meine Held Phantom Handschuhe anziehen, die deutlich mehr Gefühl für Maschine und Straße bieten als die Winterhandschuhe. Nach dem Hinweis von zwei anderen Bikern, dass eine Probefahrt mit der Sprint ST häufig sehr teuer wird, weil man die Maschine anschließend kauft, peilte ich zunächst die Shell Tankstelle an der Helmstedter Straße an, anschließend den östlichen Stadtrand.

Die Teststrecke

Die spontan ausgesuchte Route für die Probefahrt führte über Sickte bis Lucklum und dann das Reitlingstal entlang. Die Strecke durch das Reitlingstal ist im Braunschweiger Großraum unter Moppedfahrern bekannt. Durch das Tal verläuft eine leicht hügelige Strecke, die mit vielen Kurven mit unterschiedlichen Radien bestückt ist und einen brauchbaren Straßenbelag besitzt. Leider gibt es lange Zeit eine 70 km/h Beschränkung, das letzte Stück bis kurz vor dem Tetzelstein erlaubt dann normales Landstraßentempo.

Vom Tetzelstein fuhr ich weiter über Langeleben in Richtung Schöningen bis zur Abzweigung in Richtung Dahlem. Das letzte Stück bis zu der Abzweigung habe ich angepeilt, weil es sich in einem ziemlich miesen Zustand befindet. Ich weiß wie das Fahrwerk meiner GSX750F auf diesem Stück kämpfen muss und es nicht immer schafft, das Vorderrad auf dem Boden zu halten – der Vergleich zur Sprint ST hat mich brennend interessiert. Von der Abzweigung fuhr ich dann über Langeleben zurück, zweigte hinter dem Tetzelstein aber in Richtung Ampleben ab und gelangte über Evessen und Sickte zurück nach Braunschweig.

Technische Daten

Die Triumph Sprint ST besitzt einen flüssigkeitsgekühlten Dreizylinder Motor mit 1050 ccm. Wie in Zeiten von Euro 3 nicht anders zu erwarten, kümmert sich eine elektronische Einspritzanlage um die Fütterung, die Vibrationen werden von einer Ausgleichswelle im Zaum gehalten. Das Triebwerk drückt bei 9.250 UPM satte 126 PS auf die Kurbelwelle, bei 7.500 UPM steht ein Drehmoment von 105 Nm an. Freunde der zünftigen Luft-Spalterei können ihr Hobby dank der schnittigen Verkleidung bis ungefähr 260 km/h ausüben, ausprobiert habe ich dies natürlich nicht.

Mit einem Trockengewicht von 213 kg (mit ABS) gehört die Sprint ST zu den leichteren Sporttourern, der 20 Liter Tank ist in diesem Segment standesgemäß dimensioniert. Die Kraft der drei Zylinder werden über ein 6-Gang Getriebe und eine Kette auf den 180er Hinterreifen übertragen, zu dem sich vorne ein 120er um die Führung kümmert. Für die Ankerung gibt es vorne zwei 320 mm Scheiben, hinten eine mit 255 mm. Gegen 1.000 EUR Aufpreis gibt es die Sprint ST auch mit ABS – eine Option, die ich auf jeden Fall nutzen würde. Die Sitzbank ist abgestuft. Durch die Mulde hat der Fahrer eine gute Abstützung nach hinten, die Sozia – kann theoretisch auch ein “er” sein, bei mir sitzt aber immer eine “sie” hinten drauf – sitzt dafür deutlich höher.

Motor & Getriebe

Von dem Triumph Dreizylinder lese und höre ich immer nur gutes, speziell in der 1050 ccm Version. Bärige Kraft, von einem tierischen Sound begleitet, würde einen nach vorne treiben, als ob es um Tod und Leben ginge. Die Erwartungsschwelle lag hoch, enttäuscht wurde ich nicht. Der Motor zieht ab 2.000 UPM wie ein Bär, kein Vergleich mit meiner 750er. Durch das 4.000er Drehzahllimit konnte ich leider nur den Durchzug unten testen – die Vorstellung dieses Triebwerks oberhalb diese Drehzahl bis hoch zum 10.000er Limit würde mich schon brennend interessieren. Ich vermute, dass beim Durchladen das Vorderrad zum Männchen machen ansetzt.

Fahrbar ist der Motor ab 1.500 UPM, darunter wird es ruckelig um noch etwas tiefer ziemlich unvermittelt zum Stillstand zu führen. Letzteres ist mir zweimal an Kreuzungen passiert, wo ich bis fast zum Stillstand abgebremst habe und dann im zweiten Gang einbiegen wollte. Diese Empfindlichkeit bei niedrigen Drehzahlen ist bei einem Vierzylinder prinzipbedingt natürlich nicht so ausgeprägt. Unangenehme Vibrationen gibt es nicht, eher ein angenehmes Feedback, dass da unten zwischen den Beinen etwas lebt.

Vergleiche mit einem Abstand von mehreren Monaten sind immer gefährlich, ich versuche es trotzdem. Im Vergleich zur BMW K1200R Sport dürfte der Dreizylinder hinsichtlich Druck nicht ganz herankommen, bei höheren Drehzahlen vermutlich weniger als bei unteren. Während aber die BMW hinsichtlich der akustischen Kulisse mit dem üblichen Vierzylindersäuseln über die Straßen läuft, trieb mir das kernige Fauchen des Dreizylinders in der Sprint ST beim Fahren ständig das Grinsen sind Gesicht. Für jede Kurve war ich dankbar – nicht nur der Kurve wegen sondern auch für das Konzert am Kurvenausgang.

Das 6-Gang Getriebe ließ sich butterweich und quasi geräuschlos schalten. Das klappte auch problemlos ohne Kupplung: leichter Druck unter den Hebel und etwas am Gas spielen, schon fluschte der nächste Gang rein. Die Abstimmung der Gänge kann ich nicht beurteilen, dass mir zur Verfügung stehende Drehzahlband war dafür zu schmal. Beim Hochschalten landete ich zweimal zwischen den Gängen. Diesen Effekt hatte ich bei meiner GSX750F anfangs auch einige Male, nach dem Einfahren hat es sich bei meiner GSX aber gelegt.

Die Kraftübertragung zum Hinterrad erfolgt über eine Kette. Zwar würde ich mir auf Touren lieber einen (lastwechselfreien) Kardan oder einen Zahnriemen wünschen, nach meinen guten Erfahrungen mit dem Kettenöler ist eine Kette aber kein Ausschlusskriterium mehr.

Fahrwerk & Bremsen

Auch hier gilt: “dank” 4.000er Drehzahllimit, die im 6. Gang ca. 110 km/h bedeuten, ist die Aussagekraft eingeschränkt. Wie sich das Mopped bei höheren Geschwindigkeiten verhält, werde ich hoffentlich ein anderes Mal herausfinden. Der erste Eindruck gleich nach dem Losfahren war zumindest eine überraschende Leichtfüßigkeit. Mit den frisch zuvor getankten 10 EUR dürfte sie ein Gewicht von ca. 225 kg gehabt haben – gefühlt fand ich sie deutlich leichter. Die gefühlte Leichtigkeit ist das Ergebnis einer frappierenden Handlichkeit. Der Blick in die Kurve reichte mir um die Sprint ST auf der Linie laufen zu lassen, die ich mir gerade zurecht gelegt hatte. Der Kurvenhunger ist gebündelt mit einer Neutralität, die nur bei längs laufenden Bodenwellen in der Kurve etwas beeinträchtigt wurde.

Die Telegabel vorne und das Monoshock hinten bieten – soweit ich es nach der einen Stunde beurteilen kann – einen sehr gelungenen Kompromiss zwischen hinreichend straffer Abstimmung und Komfort auf schlechten Strecken. Auf den Teilstrecken, auf denen ich mit meiner Abbremsen muss, weil sich das Vorderrad von der Straße löst, behielt die Sprint ST immer die Räder unten. Der Geradeauslauf war auch stabil, zumindest bei den Landstraßengeschwindigkeiten, die mir gegönnt waren.

Wer gerne am Kabel zieht, wird irgendwann auch am Hebel ziehen müssen, um die aufgebaute kinetische Energie in Wärmeenergie umzuwandeln. Auch hier die Einschränkung vorweg: die Reifen waren nagelneu und glänzten wie eine eingeölte Badenixe auf dem Badelaken am Strand. Gute Haftung ist anders. Meine Bremsversuche fanden auf gerader Landstraße statt. Das ABS regelt für meinen Geschmack flott, das Pulsieren ist schon fast ein Wimmern im Bremshebel. Für die Bremse hinten und das Bremspedal gilt das gleiche. Wie nah das ABS an der Grenze eingreift vermag ich nicht zu beurteilen, der Vorderreifen hat aber jedenfalls einmal lautstark gequietscht. Das Aufstellmoment in Kurven habe ich aufgrund der schmierigen Reifen verständlicherweise nicht getestet.

Komfort

Die tiefe Delle in der Sitzbank mag nicht jedermanns Geschmack sein, mir gefällt diese Auslegung. Beim Solo fahren bietet sie eine gute Abstützung nach hinten, auch wenn diese in dem unteren Drehzahlbereich nur von geringem Mehrwert ist. Beim Durchladen der Gänge, zum Beispiel bei der Auffahrt auf eine Autobahn, möchte ich sie nicht missen. Ob die höhere Sitzposition der Sozia gefällt, wird nur diese beurteilen können.

Die Sitzposition auf der Sprint ST ist für mich die eines typischen Sporttourers. Leicht nach vorne gebeugt, um beim zügigen Kurven schnupfen ein Gefühl für das Vorderrad zu haben, aber nicht so extrem, dass es unbequem ist. Dazu leicht angewinkelte Beine, die auch auf längeren Strecken nicht zu Störungen des Blutkreislaufs führen sollten. Die Verkleidung bietet vermutlich einen guten Windschutz, bis 110 km/h läßt sich dies aber auch nicht vernünftig testen.

Das Cockpit ist auf drei Rundinstrumente aufgeteilt. In der Mitte befindet sich der analoge Drehzahlmesser, links daneben der ebenfalls analoge Tacho. Beide Instrumente lassen sich sehr gut ablesen. Auf der rechten Seite befindet sich ebenfalls in einem Rundinstrument der Bordcomputer. Die LCD Anzeige mit schwarzer Schrift auf grauem Hintergrund empfand ich als etwas billig, mit den farbigen Instrumenten aus dem japanischen Bereich kann es nicht mithalten.

Optik

Die Sprint ST gibt es in den Farben Graphite (grau), Pacific Blue (dunkelblau) und Tornado Red (kräftiges rot). Mein persönlicher Favorit ist natürlich die rote und genau die stand auch zur Probefahrt zur Verfügung. Die Beurteilung der Optik ist immer eine Geschmacksfrage, die folgende Anmerkungen sind natürlich rein subjektiv (wie der gesamte Bericht).

Zum Heck fällt mir nur ein: die Sprint ST hat einen “scharfen Hintern”. Wem die Formulierung nicht gefällt: ich schreibe nur, wie es ist. Die drei Zylinder blasen die Abgase über eine hochgelegte, direkt unter der Sitzbank endende Auspuffanlage ins Freie. Jeder Zylinder hat natürlich seinen eigenen Ausgang, die Zahl drei ist auch hier präsent. Dank Einarmschwinge ist der Blick von der rechten Seite auf das freistehende Hinterrad eine Wonne für sich, die linke Seite mit dem ansehnlichen Kettenschutz gefällt mir aber auch.

Dem schönen Hintern steht der Vorderbau kaum nach. Die beiden Abblendscheinwerfer am Rand setzen mit dem mittigen Fernscheinwerfer das Dreier-Thema fort. Die leicht V-förmige Verbindung der drei Leuchtmittel unterstützt zusammen mit der flott geschnittenen Verkleidung die Dynamik, die der Maschine aus allen Poren strömt. Das Cockpit ist ok, hier habe ich aber schon deutlich hübschere gesehen. Auch der vordere Kotflügel erscheint mir etwas klobig, an dem sehr gefälligen Gesamteindruck ändert dies aber nichts.

Vorläufiges Fazit

Vorläufig, da ich viele Aspekte aufgrund des Drehzahllimits nicht aus testen konnte. Offen bleiben die Fragen, wie sich die Maschine beim Anbremsen in Kurven verhält, wie die Leistungsentwicklung oberhalb der 4.000 UPM aussieht, wie gut sich mit ihr flotte Autobahnetappen im Geschwindigkeitsbereich von 160 bis hoch zu 200 km/h realisieren lassen und wie bequem die Sozia hinter mir sitzt.

Internet Community

Wer sich für Triumph Moppeds allgemein oder die Sprint ST im besonderen interessiert, dürfte unter den beiden nachfolgenden Links das finden, das er gesucht hat:

Dass es nach nur einer Stunde überhaupt so ein langer Bericht geworden ist, liegt einfach daran, dass die Alternativen im Sporttourer-Segment, die mir zusagen, sowieso nur sehr dünn gesät sind und die Sprint ST seit langer Zeit ein potentieller Kandidat für die irgendwann nötige GSX750F Nachfolge war. Dementsprechend habe ich die Zeit nicht nur für eine Stunde Spaß genutzt, sondern bewusst auf das Verhalten der Maschine, soweit ich es testen konnte, geachtet.

Durch das Drehzahllimit ist mein Bild leider nicht vollständig; auf der anderen Seite hat die Stunde gereicht, um eine gewisse Vertrautheit herzustellen. Mein Interesse an der Sprint ST war allein aufgrund der zahlreichen positiven Berichte sehr hoch. Die Probefahrt hat meine Erwartungen bestätigt, wirklich negative Aspekte konnte ich nicht feststellen. Wenn der Motor oberhalb von 4.000 UPM das verspricht, was er unterhalb dieser Grenze bereits andeutet und das Fahrwerk auch im oberen Geschwindigkeitsbereich so vertrauenerweckend ist wie beim Kurven schwingen im Landstraßentempo, dann dürfte die Sprint ST eine Favoritenrolle im Hinblick auf die GSX750F Nachfolge einnehmen. Die Messlatte für den CBR-XX/VFR Nachfolger liegt jetzt jedenfalls sehr hoch.

5 thoughts on “Eine Stunde mit der Triumph Sprint ST”

  1. Hallo Mephisto,
    auch wenn du einige Sachen nicht testen konntest, finde ich ist der Bericht trotzdem sehr aussagekräftig und gut geworden. Muss ja auch mal gesagt werden. 🙂
    Den vorderen Kotflügel finde ich übrigens auch nicht sehr gelungen, der wirkt sehr klobig und wenig elegant, da hätte es ein etwas dezenteres Teil (insbesondere an den Seiten) sicherlich auch getan. Ansonsten ist es auf jeden Fall eine schöne Maschine, die mehr Richtung Sport als Tourer geht, wie ich finde. Das Felgendesign ist übrigens auch hübsch.

    Gruß,
    Marc

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    • Danke 🙂

      Vom Handling geht sie eher in Richtung Sport, als in Richtung Tourer, da sehe ich auch so. Optisch wird dies auch durch das eher zierliche Heck unterstrichen, zumindest solange keine Koffer dran hängen.

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    • Ich glaube Koffer würden das Design vermutlich sogar etwas kaputt machen. Es gibt Motorräder, den stehen Koffer sehr gut, aber die Sprint ST gehört glaube ich nicht dazu… 🙂

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  2. Hallo
    habe Mephisto,
    habe deinen Testbericht gelesen und kann dir nur berichten,das wenn du dich für die ST entscheidest,nicht enttäuscht wirst.
    Ich habe die ST ( BJ 07 ) in Phantom Black Met. seit einem Jahr und kann mich immer noch nicht satt sehen oder fahren,es passt einfach alles. Ich musste mich allerdings erst an die ST gewöhnen. Bin sonnst überwiegend Honda CBR und CBR XX gefahren,doch so wie die ST begeistert,habe ich gewusst was mir die letzten Jahre gefehlt hat.
    Mittlerweile bin ich mit der ST im Harz,Weserbergland gewesen,was du da erlebst ist nicht mit Worte zu beschreiben. Das aus den Kurven pfeffern einlenken oder in die Kurve bremsen ist einfach nur genial. Dieses Röcheln von vorne ( K&N Filter) und Hinten ( Triumph Race Pipe ) bei Last und Sciebebetrieb ist nicht zu beschreiben. Eigentlich müsste der Helm im Wangenbereich breiter sein,weil du ein ewiges Grinsen im Gesicht hast.
    Aber auch mein Frauchen fühlt sich hinten sehr wohl. Und lange Autobahnetappen lassen sich ohne weiteres bewältigen.
    Nächstes jahr geht es an den Bodensee und darauf freue ich mich jetzt schon. GRINS)))))))
    Der Triple in der Sprint ST macht süchtig,wenn du es zulässt!!
    Ich jedenfall bin total Triumph verseucht!!
    Liebe grüße von der Nordseeküste.
    Franky

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